Hakenkreuz auf der Brust, Reichsadler auf dem Bein – manche Tattoos erzählen Geschichten, die man irgendwann nicht mehr miterzählt sehen will. Im Tattoo-Studio "On the Rocks" in Siegen gibt’s dafür jetzt eine klare Ansage: Rechts raus, Farbe drauf. Und zwar kostenlos.
Was tun, wenn die eigene Haut von der Vergangenheit erzählt – und das auf eine ziemlich laute Art? Lisa Meurer, Inhaberin von "On the Rocks", hat darauf eine Antwort: Monatlich bietet sie einem Aussteiger aus der rechtsextremen Szene ein kostenloses Cover-Up an. Alte Nazi-Tattoos werden dabei durch neue Motive ersetzt – professionell, hochwertig und mit Haltung. "Viele schämen sich oder trauen sich nicht", erzählt Meurer laut "Merkur" der dpa.
Deshalb sei es ihr wichtig, eine niedrigschwellige Möglichkeit zu schaffen, damit Menschen mit Vergangenheit auch eine Zukunft haben können – ohne Symbolik, die sie längst hinter sich gelassen haben. "Wir verurteilen ja niemanden aus der rechten Szene. Wir helfen lediglich den Leuten, die aus dieser Szene rauswollen und ein neues Leben wollen."
Entstanden ist die Idee im Januar 2024, als überall in Deutschland Menschen gegen rechts auf die Straße gingen. Meurer und ihr Partner, Tätowierer Luke, wollten mehr tun als nur ein Demo-Plakat hochzuhalten. "Wie können wir einen Beitrag leisten, der tatsächlich etwas bewirkt, anstatt einfach nur irgendwo hinzugehen und den Mund aufzumachen und gegen eine Wand zu reden?" Seitdem ist ihr Studio komplett ausgebucht – eine Warteliste von über einem Jahr hat sich angesammelt.
Denn auch wenn sie gern mehr machen würden: Ein Cover-Up bedeutet für das Studio rund 600 Euro Einnahmeverlust pro Termin. Aber der Effekt ist unbezahlbar – auch für die Gesellschaft.
Dass Angebote wie dieses funktionieren, weiß auch Eva Müller vom Aussteigerprogramm Wendepunkt beim Bundesamt für Verfassungsschutz. "Die erste große Hürde für Ausstiegswillige ist es, überhaupt in Kontakt zu treten."
Viele bringen psychische Belastungen, Suchtprobleme oder Armut mit – da ist ein kostenloses Cover-Up oft mehr als nur Symbolik: Es ist ein Neuanfang auf der Haut. "Die haben dieses Stigma, Nazi zu sein, was es sehr schwer macht, Hilfe von außen anzunehmen."
Auch das Programm Wendepunkt bietet solche Maßnahmen an. Denn der Fokus hat sich verändert: Nicht nur die Ideologie zählt – sondern der Mensch dahinter. Stabilität statt nur Gesinnungsarbeit.
Zurück in Siegen, wo Lisa Meurer gerade wieder ein Symbol der Vergangenheit verschwinden lässt. Auch wenn es danach nicht mehr zu sehen ist: Ganz weg ist es nie. "Die Narben alter Tattoos blieben auch unter dem Cover-Up für immer spürbar", sagt sie.
Aber manchmal reicht genau das – ein sichtbares Zeichen für einen echten Wandel. Und ein Studio, das Haltung zeigt, wo andere weggucken.